Mutter-Anna-Wallfahrt in Neviges: Rückblick auf eine noch kurze, aber erfolgreiche Geschichte
Eigentlich sollte am 19. Juli in Velbert-Neviges das 25-jährige Jubiläum der schlesischen Mutter-Anna-Wallfahrt gefeiert werden. Der Apostolische Nuntius in Deutschland und Titularerzbischof von Cibale, S.E. Msgr. Dr. Nikola Eterović, hatte sein Kommen angekündigt. Doch es sollte nicht sein. Die Corona-Virus-Pandemie machte die Pläne zunichte.
Die Mutter-Anna-Wallfahrt in Neviges mit ihrer erst 25-jährigen Geschichte gehört zu den jüngsten Wallfahrten in dem großen Erzbistum Köln. Trotzdem entwickelte sie sich zu einer der drei größten Wallfahrten in dem wiederum größten Wallfahrtsort dieses Erzbistums.
Es begann alles unscheinbar, als 1995 ein in Velbert-Neviges wohnender älterer Oberschlesier sich an Damian Spielvogel vom örtlichen Vorstand der Landsmannschaft Schlesien wandte. Er fragte, ob im Nevigeser Mariendom eine Hl. Messe zu Ehren der Hl. Anna gefeiert werden könnte, um so den älteren Menschen aus dem Bergischen Land den beschwerlichen Weg zum westfälischen Annaberg bei Haltern am See zu ersparen und sich trotzdem an eine große Pilgerreise zum oberschlesischen Sankt Annaberg erinnern zu können. Der Gedanke wurde sehr gern aufgenommen und dem damaligen Wallfahrtsleiter Pater Roland Bramkamp OFM in einem persönlichen Gespräch von Spielvogel vorgetragen. Dabei dachte man 1995 keineswegs an eine „große Wallfahrt“, sondern eher an eine Familienmesse, bei der der Hl. Anna besonders gedacht wird. Das St. Annafest in Haltern am See, das bereits seit 1946 stattfindet, erfreute sich großer Bekanntschaft und Beliebtheit. Als erster zelebrierte es Dr. Paulus Tillmann, Diözesanpriester des Erzbistums Breslau, der nach seiner Vertreibung als Pfarrer aus Schlesien in Recklinghausen seelsorgerisch tätig war.
Die erste Hl. Anna-Familienmesse in Velbert-Neviges wurde vor 25 Jahren sehr gut angenommen. Daher beschloss man, diese 1996 erneut zu feiern. Pater Bramkamp OFM schlug auch einen Namen für diesen besonderen Gottesdienst vor: Mutter-Anna-Festgottesdienst! Es wurden auch schnell zwei Parallelen zum Sankt Annaberg in Oberschlesien gefunden: Eine St. Anna-Selbdritt-Figur befindet sich in beiden Wallfahrtskirchen und beide Wallfahrtsorte werden von den Franziskaner-Patres betreut. Die letzte Gemeinsamkeit ist jedoch mit dem Wegzug der Franziskaner seit Ende 2019 leider nicht mehr gegeben.
Bereits 1998 konnte der damalige Abt des Benediktinerklosters in Maria Laach, Dr. Adalbert Kurzeja OSB, als Zelebrant und Prediger für diesen Mutter-Anna-Festgottesdienst gewonnen werden. Abt Adalbert ist gern nach Neviges gekommen, zumal ihm als gebürtigen Oberschlesier und Träger des Schlesierschildes die St. Anna-Verehrung sehr vertraut war. Im gleichen Jahr zogen erstmalig zwei junge Mädchen in schlesischen Trachten zum Altar. Die Anzahl der Gottesdienstbesucher stieg enorm, zumal auch nachmittags eine feierliche Schlesische Marienandacht mit Eucharistischem Segen eingeführt wurde.
Der Erfolg der Vorjahre zwang zu neuen notwendigen organisatorischen Überlegungen, da es bereits 1998 nicht nur um eine Mutter-Anna-Familienmesse, sondern um eine regelrechte, auch wenn ursprünglich nicht geplante, Wallfahrt ging, die später als Großwallfahrt bezeichnet wurde. Es musste für das leibliche Wohl der Pilger gesorgt werden. Ein Bäcker, ein Metzger und ein Getränkestand mussten zusätzlich geordert werden, da die örtliche Gastronomie keine ausreichende Versorgung der Pilger gewährleisten konnte. Außerdem wollte man den „volkstümlichen Charakter“ dieser Wallfahrt betonen und das gemeinschaftliche Zusammensein der Pilger nach dem Festgottesdienst fördern.
Der Festgottesdienst, der nun als Pontifikalamt gefeiert wurde, sollte „optisch und akustisch verschönert“ werden. Die Gruppe der Oberschlesischen Bergmänner aus dem Ruhrgebiet mit Heinz Skaletz, Georg Pyrlik und Alfred Zok als Leiter, das Oberschlesische Blasorchester aus Ratingen mit Andreas Bartylla als Dirigenten, kamen dazu. Zahlreiche Menschen in Trachten aus Nieder- und Oberschlesien sowie Fahnenabordnungen, nicht nur aus Nordrhein-Westfalen, schlossen sich in den Folgejahren dem Pilgergeschehen an. Die Schlesische Jugend aus Nordrhein-Westfalen mit Renate Sappelt an der Spitze fungierte alsbald als offizieller Veranstalter, da eine Wallfahrt dieser Größenordnung einen institutionellen Veranstalter haben musste. Marc-David Schwarz aus Solingen, mit wenigen Ausnahmen nur, begleitet diese Wallfahrt seit Beginn an der Orgel. Seinen ersten Einsatz an der Domorgel absolvierte er bereits mit 14 Jahren. Seit Anbeginn steht Damian Spielvogel ununterbrochen als Organisationsleiter dieser Wallfahrt vor, wobei er stets eine gute Zusammenarbeit pflegte mit den zahlreichen Wallfahrtsleitern, die Pater Bramkamp OFM mit den Patres Georg Scholles OFM, Dr. Herbert Schneider OFM, Othmar Brüggemann OFM oder zuletzt Bruder Frank Krampf OFM folgten. Neben Abt Dr. Adalbert Kurzeja OSB, der aus Altersgründen nicht mehr zur Verfügung stand, konnten als Hauptzelebranten gewonnen werden: Erzbischof Alfons Nossol, Joachim Kardinal Meisner, Abt Gregor Henckel Donnersmarck OCist, Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck, Weihbischof Dr. Dominikus Schwaderlapp, Weihbischof Dr. Reinhard Hauke und zuletzt im Jahr 2019 der junge Zisterzienserpater Rupert Fetsch OCist.
Die örtliche Gruppe der Landsmannschaft Schlesien in Velbert hat vor über 20 Jahren die Verantwortung für die Ausschmückung des Mariendoms und des Außengeländes übernommen, wobei Johann Hurek, Bertold Wosnitza und Joachim Karwoczik, unterstützt von weiteren Helfern, stets dabei sind. Seit 2019 fungiert die Landsmannschaft Schlesien auf Bundesebene, neben der Schlesischen Jugend in NRW, als Veranstalter der nun traditionellen Mutter-Anna-Wallfahrt.
Erstmalig in der jungen Geschichte der schlesischen Mutter-Anna-Wallfahrt findet dieses Jahr kein Wallfahrtsgottesdienst statt, im Jahr der Corona-Virus-Pandemie aber auch in dem Jahr, wo die Wallfahrt in Neviges keine geistige Betreuung durch eine Ordensgemeinschaft aufzuweisen hat, denn die Nachfolge der Franziskaner wird erst im September durch die Gemeinschaft Sankt Martin übernommen. Nur ein Zufall?
SN/SD