Kardinal Bertram: Die Seele Schlesiens
Am 15. August 1906 wurde der letzte Bischof von Breslau, Adolf Bertram, von Georg Kardinal Kopp im Hildesheimer Dom zum Bischof konsekriert.
Von Damian Spielvogel
Adolf Bertram wurde am 14. März 1859 in Hildesheim geboren. Dort verbrachte er auch seine Kindheit und Jugendzeit. 1877 bestand er das Abitur. Da die philosophisch-theologische Lehranstalt in Hildesheim durch den Kulturkampf geschlossen war, musste er die Vorlesungen in Würzburg und München besuchen. Nach der Priesterweihe, die er am 31. Juli 1881 in Würzburg empfing, studierte er ein Jahr an der Universität in Innsbruck. Zwei Jahre lang (1882 – 1884) studierte er in Rom. In Würzburg erwarb er am 23. Juli 1883 den theologischen Doktorgrad. Nur ein Jahr später promovierte er erneute in Rom zum Doktor des kanonischen Rechtes. Adolf Bertram war erst 47 Jahre alt, als er zum Bischof konsekriert wurde. In wenigen Jahren nach seiner Bischofsweihe entwickelte er sich zu einem echten „Volksbischof“. Nach dem Tod des Kardinals Georg Kopp (gestorben am 04. März 1914) wurde er am 24. Mai 1914 durch das Breslauer Domkapitel zu dessen Nachfolger gewählt. Papst Benedikt XV. erteilte am 08. September des gleichen Jahres die Bestätigung. Fürst Bischof Adolf Bertram wurde am 28. Oktober 1914 im Breslauer Dom inthronisiert. Seit diesem Zeitpunkt stand er an der Spitze der größten deutschen Diözese. Am 04. Dezember 1916 kreierte Papst Benedikt XV. den Fürst Bischof Adolf Bertram zum Kardinal. Seine Ernennung konnte erst am 15.12.1919 infolge der Wirren des Ersten Weltkrieges publiziert werden. Die nationalen Spannungen in Oberschlesien, die dortigen kämpferischen Auseinandersetzungen, die Abstimmung und Teilung Oberschlesiens, die Zeit der Weimarer Republik, die Machtergreifung der Nationalsozialisten, die antikirchliche Propaganda des Dritten Reiches, der Zweite Weltkrieg und der Zusammenbruch Deutschlands im Jahre 1945 bildeten den zeitgeschichtlichen Hintergrund, vor dem er sich als Oberhirte Breslaus und Metropolit der ostdeutschen Kirchenprovinz bewahren musste und zu einer der markantesten Bischofsgestalten der katholischen Kirche in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts herangewachsen ist.
Als Fürst Bischof von Breslau war er von 1914 bis 1918 Mitglied des Preußischen und Österreichischen Herrenhauses in Berlin und Wien. Gleichzeitig präsidierte er dem Österreichischen Landtag. Er setzte sich auch ein für die Sicherstellung der kirchlichen Seelsorge der polnisch sprechenden Katholiken in Oberschlesien, vor allem in den kritischen Jahren zwischen 1918 und 1920. Schmerzlich für ihn war die Abtretung Ostoberschlesiens an Polen, da dadurch die Diözese Breslau rund eine Million Katholiken verloren hatte.
Es ist erstaunlich auch aus der Zeitperspektive betrachtend, wie Adolf Kardinal Bertram durch seine Erfahrungen in der kirchlichen Verwaltung, seine Ansprachen bei großen kirchlichen Veranstaltungen sowie seine Hirtenbriefe die angedeuteten Schwierigkeiten meisterte. Es soll nicht vergessen werden, dass der Breslauer Kardinal den Stimmenzuwachs der extremen Parteien bei den Reichstagswahlen mit großer Besorgnis beobachtete. Schon Ende 1930 warnte er vor den Nationalsozialisten. Als die Konkordatsbestimmungen von den braunen Machthabern verletzt wurden, wandte er sich als Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenzen fortwährend an die zuständigen Parteiinstanzen und Ministerien, um Beschwerden vorzutragen und Abhilfe zu fordern.
Im Herbst 1939 konnte das 25jährige Jubiläum seiner Amtszeit als Breslauer Ordinarius nicht gebührend gefeiert werden, da der Zweite Weltkrieg seine Schatten auf den vom Alter gebeugten Kardinal, der stets die politische und kirchliche Situation nüchtern und ohne Illusion beurteilte, warf. Nach dem raschen Vorstoß der Einheiten der Roten Armee in Richtung Breslau hatte er sich auf Anraten seiner Umgebung am 21. Januar 1945 auf das Schloss Johannesberg bei Jauernig begeben. Am 08. Mai zogen die russischen Einheiten auch in Johannesberg ein. Als „Patriarchen von Deutschland“, wie ihn einige sowjetische Offiziere tituliert haben, erlitt er am 06. Juli 1945 einen Gehirnschlag, der am Nachmittag des gleichen Tages seinen Tod herbeiführte. Er wurde am 11. Juli 1945 auf dem Friedhof in Jauernig beigesetzt. Erst 46 Jahre später – im November 1991 – wurden die sterblichen Überreste des Kardinals in den Dom zu Breslau überführt.