100 Jahre Volksabstimmung in Oberschlesien
Am 20. März 2021 jährte sich die Volksabstimmung in Oberschlesien zum 100. Mal. Wer die damaligen Ereignisse verstehen will, muss die Geschichte der deutsch-polnischen Nachbarschaft der letzten Jahrhunderte kennen. Wohl brachte der 20. März 1921 einen einwandfreien deutschen Abstimmungssieg, aber die Zeit war doch ein sehr trauriges Kapitel der oberschlesischen Geschichte, ein Bruderkampf, der so unendlich viel Leid und Elend gebracht hat.
Am 07. Mai 1919 übergab der französische Ministerpräsident Clémencau der deutschen Delegation in Versailles die Friedensbedingungen: „Polen erhält ganz Oberschlesien mit einigen Gebieten Mittelschlesiens, die Provinz Posen und Teile von Westpreußen mit Danzig sowie von der Provinz Ostpreußen den Kreis Soldau“. Das Hultschiner Ländchen sollte der Tschechoslowakei zugesprochen werden.
Die unerwartete starke Abwehr der alteingesessenen deutschen Bevölkerung gegen die beabsichtigte Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker veranlasste die Siegermächte zur Durchführung einer Volksabstimmung in Oberschlesien. Am 23. Februar 1921 legte man den Termin der Volksabstimmung auf den 20. März 1921 fest. Die Abstimmung war ein Erfolg für die deutsche Seite: 60 Prozent stimmten für den Verbleib bei Deutschland und 40 Prozent für die Abtretung an Polen. Die Behauptung vom polnischen Charakter Oberschlesien wurde widerlegt.
Mit dem Genfer Schiedsspruch und dem Beschluss der Pariser Botschafterkonferenz vom 20. Oktober 1921 wurde dennoch die Teilung Oberschlesiens gegen den Willen der Bevölkerung und Missachtung des Selbstbestimmungsrechts festgesetzt und am 15. Mai 1922 durch das Genfer Abkommen für Oberschlesien beschlossen. Es war eine arge Enttäuschung für das ganze deutsche Volk, besonders aber für die Oberschlesier. Am 15. Juni 1922 wurde die neue Grenze mitten durch das oberschlesische Land gezogen. Die Entscheidung und die Grenzziehung widersprach jeglichem Rechtsempfinden, jeder realen Auslegung des Rechtes auf Selbstbestimmung der Völker, es war eine Kapitulation der internationalen Wertegemeinschaft vor dem Nationalismus.
Am 30. Mai 1922 legte der Deutsche Reichstag in einer Sondersitzung durch den Reichsminister Schiffer „Rechtsverwahrung gegen die Entscheidung über Oberschlesien“ ein. Der oberschlesische Abgeordnete, Thomas Szczeponik, stellte in aller Deutlichkeit fest: „Der Völkerbundsrat hat den Willen der deutschen Mehrheit missachtet und den lebenden Organismus Oberschlesiens zerrissen.“